Interview mit Marcella Adema

Was hat dich ursprünglich dazu inspiriert, Musical-Darsteller/in zu werden, und wie hast du deinen Weg in diese Branche gefunden?
Wir haben früher immer vom Theater in meiner Heimatstadt ein Jahres-Programm bekommen und was ich aus diesem Heft jedes Mal am liebsten sehen wollte, waren all die Musicals, die aufgeführt wurden (ging aber natürlich nicht, das war viel zu teuer). Ich weiß aber noch genau, wie wir irgendwann Sunset Boulevard geschaut haben und ich dachte: Das würde mir so viel Spaß machen!
Ich habe als Kind immer schon sehr gerne gesungen und getanzt. Aber nie mit dem Gedanken, dass ich das zu einem Beruf machen könnte. Bis ich über meinen Tanzunterricht erfuhr, dass es dafür eine richtige Ausbildung gibt … und da war es um mich geschehen! Ich habe mich für die Vorausbildung beim Lucia Marthas Institute of Performing Arts beworben. Während meines Abiturs habe ich da dann jedes Wochenende trainiert. Das hat mich so begeistert, dass ich damit einfach nicht mehr mit aufhören wollte. Ich sah gar keine anderen Optionen mehr und bin meinen Eltern sehr dankbar, dass sie mich dabei immer unterstützt haben.
Gibt es ein bestimmtes Musical oder eine Rolle, die dich besonders geprägt hat oder mit der du dich besonders identifizierst? Und warum?
Velma Kelly in Chicago. Dieses Musical war immer schon ein Favorit. Ich war in meinen Teenagerjahren in einer Musicaltanzgruppe und der Choreograf machte mit uns sehr viel Bob-Fosse-Repertoire. Da hab ich mich in Chicago verliebt. Als ich nach meiner Ausbildung direkt einen Job als Swing auf der holländischen Tournee von Chicago bekam, war ich das glücklichste Mädchen auf der Welt. Ich habe unglaublich zu meinen Kollegen aufgeschaut und damals auch schon geträumt: „Irgendwann würde ich gerne mal die Velma Kelly spielen!“ Vier Jahre später war es schon so weit. Da kam die Produktion nach Deutschland, ich habe mich direkt beworben und bekam diesmal das Cover Velma Kelly. Das hat mich unglaublich gepusht. Ich habe mich bis dahin eher als Tänzerin gesehen und da durfte ich auf einmal die Hauptrolle übernehmen. Und dann noch DIESE Rolle… ein absoluter Traum. Fünf Jahre später, in einer neuen Inszenierung, bekam ich die Erstbesetzung… Diese Show zieht sich wie ein roter Faden durch meine Karriere. Und wenn irgendwann wieder eine Aufführung geplant ist, stehe ich sofort zur Audition an.
Was war dein bislang emotionalster oder denkwürdigster Moment auf der Bühne?
Das war die erste Eiskönigin-Preview. Das erste Mal wieder Publikum im Saal, nachdem wir wegen Covid so lange nicht spielen durften… Da ist der Vorhang hochgegangen zum Opening und das Publikum ist ausgerastet. Ich konnte das Opening kaum singen, so einen Kloß hatte ich im Hals. Bei Schlussapplaus weinte die ganze Cast - mein Gott, wir hatten es alle so vermisst!
Gibt es eine Szene, eine Choreografie oder einen Song, der dir besonders schwerfiel? Wie hast du diese Herausforderung gemeistert?
In jeder Show wird man wieder herausgefordert. Es gibt immer Szenen, Songs oder Choreografien, die einen erst einmal verunsichern, bis man sie irgendwann meistern kann. Manchmal geht dieses unsichere Gefühl aber auch nicht wirklich weg :) Einer der schwierigsten Songs für mich war „Du“ aus Ghost – Das Musical. Ich war Cover Molly und als ich nach der Premiere mit meinen Cover-Proben anfangen durfte, war ich echt verzweifelt. Diese Szene ist so hoch emotional: Molly schreibt einen Brief an Sam, ihren Geliebten, der gerade vor ein paar Wochen erschossen wurde, und sie singt dabei, was sie schreibt – wie sie sich fühlt, wie sehr sie ihn vermisst. Ich bin während der Proben mehrmals so stark von Emotionen übermannt worden, so dass ich gar nicht mehr singen konnte. Ich habe wirklich an mir gezweifelt, ob ich auf der Bühne überhaupt eine Balance finden kann – also sich emotional auf die Geschichte einzulassen, damit man sie glaubwürdig erzählt, die Emotionen aber nie komplett zuzulassen, um die Kontrolle über die Stimme zu behalten. Und dann hat man als Cover nur zwei Wochen Zeit zu proben, das war nicht leicht. Da muss ich aber ein großes Lob an Markus Brühl aussprechen, der damals Resident Director im Theater des Westens war – er hat mich echt gepusht, da durchzugehen. Und am Ende hat es dann doch geklappt.
Hast du ein außergewöhnliches Erlebnis mit dem Publikum gehabt, das dir in Erinnerung geblieben ist?
Da gibt es mehrere Erlebnisse. Meine erste Erfahrung mit dem Wiener Publikum war zum Beispiel etwas ganz Besonderes. Ich habe mich bei meiner Premiere als Mrs. Danvers in Rebecca bei jedem Song vom Publikum getragen gefühlt. Die Wiener halten sich nicht zurück in ihrer Wertschätzung! Das hat mich wirklich beflügelt. Ich werde aber auch nie das kleine Mädchen vergessen, das zur Bühnenkante gerannt ist bei Die Eiskönigin, als ich Elsa gespielt habe, und mir, während ich „Monster“ gesungen habe, die ganze Zeit zugewinkt hat. Überhaupt war es herzerwärmend, wie die Kinder auf diese Show reagiert haben.
Wenn du in jedem Musical der Welt eine Rolle spielen könntest, welche wäre es – und warum?
Elphaba in Wicked steht da schon weit oben auf meine Traumliste. Diese Rolle und die Geschichte sind unglaublich ikonisch und stimmlich so eine krasse Herausforderung… ich liebe Herausforderungen! Aber es gibt auch so viele fantastische neue Shows.
