
Cyndi Lauper blickte bereits auf eine langjährige Weltkarriere zurück, als sie gefragt wurde, ob sie zum ersten Mal Songs für ein Musical schreiben würde - und zwar dazu eines über eine Fabrik aus der englischen Provinz, die Schuhe für Drag Queens herstellt. Sie sagte sofort "Ja!".
Wie würden Sie Kinky Boots in drei Worten beschreiben?
Freude, Verständnis, Akzeptanz! Die Show ist wie eine riesige Glücksbombe - es ist fast unmöglich, das Theater nicht glücklich oder lächelnd zu verlassen. Das können wir gerade alle gebrauchen. Aber es geht auch um Verständnis und Akzeptanz, darum, Menschen so zu lieben, wie sie sind und nicht so, wie man sie haben möchte. Das ist eine wunderschöne Botschaft.
Was hat dich zuerst an der Geschichte von Kinky Boots fasziniert, und warum wolltest du Teil der Bühnenfassung sein?
Ich habe mich sehr mit der Geschichte von Kinky Boots identifiziert, da ich mich in meinem Leben oft wie eine Außenseiterin gefühlt habe. Außerdem kenne ich Jerry [Mitchell] und Harvey [Fierstein] schon seit Jahren und wollte immer mit ihnen zusammenarbeiten.
Wie war die Zusammenarbeit mit Harvey Fierstein bei diesem Projekt?
Harvey Fierstein rief mich eines Tages an, kurz nachdem ich von einer Europatour zurückgekommen war. Ich stand tatsächlich gerade am Abwasch! Er fragte mich, ob ich die Musik für ein Musical schreiben wolle, an dem er arbeitete. Er erzählte mir von Kinky Boots und sagte, dass Jerry Mitchell Regie führen und choreografieren würde. Es war ein Traum, mit ihm zu arbeiten. Er hat mir beigebracht, was es bedeutet, ein guter Kollaborateur und Mentor zu sein. Er und Jerry haben mich durch mein erstes Broadway-Stück als Komponistin begleitet und dafür bin ich beiden unglaublich dankbar.
Wie unterscheidet sich das Schreiben von Musik für ein Broadway-Stück vom Schreiben von Popsongs?
Es ist völlig anders. Man kann in unterschiedlichen Stilen und Stimmen schreiben, weil man für verschiedene Figuren komponiert. Natürlich ist nicht jeder Song auf meinen Alben autobiografisch, oft erzähle ich Geschichten anderer Menschen. Aber für Figuren zu schreiben bedeutet, ihre Stimme und Perspektive einzunehmen, und das macht es anders. Außerdem müssen Songs in einem Musical die Handlung voranbringen. Das ist eine zusätzliche Herausforderung, die man nicht hat, wenn man nur für sich selbst schreibt. Eine der aufregendsten Dinge, die Harvey mir beim Schreiben von Kinky Boots beigebracht hat, war, dass es keine Regeln gibt. Ich fragte ihn nach den Regeln und er sagte immer wieder: ,,Es gibt keine!" Das fand ich großartig, denn in der Musikindustrie gibt es sehr viele Regeln, an die man sich halten soll.
Welcher Song im Stück war für dich am schwierigsten zu schreiben, und warum?
Ich hatte das Glück, dass Harvey und Jerry mich durch den Schreibprozess geführt haben. Wenn ich nicht weiterwusste, halfen sie mir herauszufinden, welcher Song in dem Moment gebraucht wurde. Für das Finale des ersten Aktes sagte Jerry zu mir: ,.Wir brauchen einen Song, bei dem alle die Stiefel zum ersten Mal sehen und YEAH! Rufen" - und so schrieb ich „Everybody Say Yeah!".
Gab es Momente, in denen deine persönlichen Erfahrungen die Musik für das Stück beeinflusst haben?
Ich denke bei „Not My Father's Son". Diesen Song habe ich eigentlich als Liebeslied für meinen Mann und meinen Sohn geschrieben. Ich habe beobachtet, wie mein Sohn aufgewachsen ist und wie sehr er zu seinem Vater aufgeschaut hat. Anders als die Väter von Charlie und Lola hat mein Mann meinen Sohn immer so akzeptiert, wie er ist und sein möchte. Ich habe diese Vater-Sohn-Dynamik hautnah miterlebt und wollte etwas dafür schreiben. Mein Mann hat wirklich die „patience of Job", eine engelsgleiche Geduld, deshalb habe ich ihm die Zeile im Song gewidmet.
Hattest du schon einen bestimmten Sound im Kopf oder entwickelte er sich während der Arbeit mit dem Produktionsteam?
Ich habe für jede einzelne Figur geschrieben, dadurch entwickelte sich der Sound, während das Kreativteam die Charaktere ausgestaltete. So konnte ich in vielen verschiedenen Stilen und Stimmen arbeiten. Während des Casting-Prozesses musste ich außerdem daran denken, was ihre Figur gerade durchmacht und wie der Song die Handlung voranbringen kann. Deshalb gibt es zwar einige Songs, die „nach mir" klingen, aber insgesamt eine große Vielfalt im Sound.
Welche Botschaft nimmt das Publikum hoffentlich aus Kinky Boots mit?
Ich hoffe, dass es die Menschen glücklich macht. In unserer Welt passiert gerade so viel, dass man manchmal einfach nur abschalten, sich unterhalten lassen und Freude empfinden möchte. Kinky Boots bietet das ganz bestimmt. Gleichzeitig hoffe ich, dass es die Herzen und Köpfe der Menschen öffnet - für Menschen, die anders sind als sie selbst.
Der Gewinn des Tony Awards für die beste Originalmusik war historisch, da Sie die erste Frau waren, die diese Kategorie allein gewann. Was bedeutete das für Sie persönlich?
Es gibt immer noch viele Grenzen, die überwunden werden können, besonders für Frauen im Theater- und Musikbereich. Ich war sehr stolz, die erste alleinige Komponistin und Texterin zu sein, die einen Tony Award gewonnen hat, aber das hätte schon lange vorher passieren sollen! Ich freue mich, dass seit meinem Gewinn viele weitere Frauen in der Kategorie „Best Score" nominiert wurden und einige sogar gewonnen haben, das ist wunderbar!